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Die Energiewende steht am Wendepunkt
Verzögerungen und weniger Unterstützung für die Energiewende. Lesen Sie den Artikel von FD.

Die Energiewende scheint ins Stocken geraten zu sein. Dachte man früher, dass politischer Druck und internationale Vereinbarungen ausreichen würden, um die Energiewende voranzutreiben, sehen wir jetzt Verzögerungen und bröckelnde Unterstützung. Die jüngste Ausschreibung für einen niederländischen Offshore-Windpark droht zu scheitern, obwohl dies eine der wichtigsten Säulen der Energiewendepolitik ist.
Die Herausforderungen häufen sich. Hohe Zinsen und Inflation machen Investitionen in erneuerbare Energien immer schwieriger zu kalkulieren. Gleichzeitig sinkt die politische Unterstützung für die Klimapolitik. Während die Dringlichkeit für Nachhaltigkeit zunimmt, sinkt das Vertrauen in die Regierung. "Die Energiewende lässt sich nicht aufhalten, aber wenn wir nicht handeln, werden die Katastrophen zunehmen", warnt Ronald van Rijn, geschäftsführender Partner bei JBR. In seiner täglichen Praxis erlebt die Strategieberatung, wie Unternehmen mit der Frage ringen, ob sie jetzt in Nachhaltigkeit investieren sollten oder ob es besser wäre, zu warten.
Eine dringende Situation
Jüngste Untersuchungen für Invest-NL und TKI Offshore Energy zeigen, dass der Offshore-Windsektor vor großen Problemen steht. Die Situation ist dringend: Da auch neue Ausschreibungen scheitern könnten, sind die Ziele für Offshore-Windkraft und erneuerbare Energien in Gefahr. Der europäische Marktanteil bei der Turbinenmontage ist innerhalb von fünf Jahren von 58 % auf 30 % gesunken, vor allem wegen der chinesischen Konkurrenz. Die Finanzierung von Innovation und Scale-up erweist sich in dreierlei Hinsicht als Herausforderung: für die Unternehmen, für das breitere Offshore-Wind-Ökosystem und für die Finanzierungslandschaft selbst. Wir sehen, dass der "Wettlauf nach unten" seine Grenzen erreicht hat", sagt Eliane Blomen, Expertin für Energiewende bei JBR. "Der Sektor braucht dringend neue Finanzierungsmodelle. Das derzeitige Ausschreibungssystem funktioniert nicht mehr gut, das sehen wir auch außerhalb der Niederlande - zum Beispiel hat Dänemark kürzlich eine 3-GW-Ausschreibung für subventionsfreie Offshore-Windkraftanlagen zurückgezogen, um sie zu reformieren, weil es zu wenige Angebote gab."
Eine Lösung könnte darin bestehen, die Risiken besser zu streuen. Investoren halten Offshore-Windinnovationen oft für riskant, weil sie mit dem Sektor nicht vertraut sind und einen hohen Kapitalbedarf haben. Eine bessere Abstimmung zwischen Innovationsförderung und privater Finanzierung ist erforderlich. "Man hat kaum Zeit, Innovationen zu amortisieren, weil schon die nächste kommt", sagt Ronald van Rijn. "Es ist manchmal wie mit den iPhones - sie folgen zu schnell aufeinander, um die alte Version zu amortisieren."
Das Finanzpuzzle ist komplex
"Das Risiko steht heute in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag", erklärt Ronald van Rijn. Dies gilt insbesondere für den maritimen Sektor, in dem die Reedereien vor großen Investitionsentscheidungen stehen. "Man baut ein Schiff für 30 Jahre, mit historisch hohen Werftpreisen, von denen man nicht weiß, ob man sie jemals zurückverdienen wird. Soll man in ein Schiff investieren, das für Metanol geeignet ist, oder lieber in Batterien oder Wasserstoff?", fragt sich Rick ter Maat, Partner und verantwortlich für die maritime Praxis von JBR.
Das Problem wird durch die fehlende Infrastruktur noch verschärft. Die Häfen sind noch nicht auf alternative Kraftstoffe vorbereitet, und die Überlastung der Netze macht selbst die Landstromversorgung zu einer Herausforderung. "Wenn die Regierungen mehr mit Infrastrukturlösungen helfen würden, würde sich der Markt natürlich in diese Richtung bewegen", sagt Rick ter Maat. Diese infrastrukturellen Herausforderungen erfordern einen koordinierten Ansatz, bei dem sowohl öffentliche als auch private Parteien ihren Teil beitragen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Hafenunternehmen und dem maritimen Sektor ist entscheidend, um diesen Übergang zu beschleunigen.
Der Übergang zu Werkstoffen stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Europa ist bei vielen wichtigen Rohstoffen von anderen Ländern abhängig, während diese Materialien für erneuerbare Energien unerlässlich sind. China hat in den letzten 20 Jahren strategisch in diesen Sektor investiert, während Europa zurückgeblieben ist. "Wir wollen nicht nur Nachhaltigkeit und geringe CO2-Emissionen, sondern auch keine Menschenrechtsverletzungen", betont Eliane Blomen. "Mit neuen Gesetzen wie CSRD und CSDD sind die Unternehmen gezwungen, ihre Wertschöpfungsketten genauer unter die Lupe zu nehmen und ihre Abhängigkeiten kritisch zu bewerten."
Zukunftsszenarien
Um diese komplexen Herausforderungen zu bewältigen, wird das Denken in Szenarien immer wichtiger. "Wir untersuchen gemeinsam mit den Unternehmen, wie sich die Gesetzgebung entwickeln könnte, was passiert, wenn die Infrastruktur rechtzeitig zur Verfügung steht oder nicht, und wie sich die Strompreise entwickeln könnten", erklärt Eliane Blomen. Durch die Berechnung verschiedener Zukunftsszenarien können die Unternehmen Veränderungen auf dem Markt besser vorhersehen und ihre Investitionsentscheidungen entsprechend anpassen. Dieser Ansatz hilft auch dabei, neue Chancen zu erkennen und solide Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den unterschiedlichen Marktbedingungen standhalten können.
Dennoch bleibt man im JBR optimistisch. "Wir haben bereits 50 Prozent erneuerbaren Strom. Der Zug ist nicht mehr aufzuhalten. Wir sehen, dass sich Pensionsfonds zunehmend in Offshore-Windprojekten engagieren, zum Beispiel bei der Finanzierung von Unterseekabeln. Dieses 'geduldige Kapital' ist genau das, was der Sektor für langfristige Infrastrukturinvestitionen braucht. Trotz Populismus und politischem Gegenwind wird die Energiewende weitergehen - es gibt kein Zurück", so Ronald van Rijn abschließend.
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Ronald van Rijn
Managing Partner JBR

Eliane Blomen
Direktorin Strategy

Rick ter Maat
Partner